Kabinett verabschiedet Photovoltaik-Pflicht - Solarthermie nur noch Alibi?

Handwerk kritisiert Ignoranz bei Verbesserungsvorschlägen scharf

Teilnehmer bei dem Online-Workshop des Umweltministeriums mit betroffenen Verbänden

Ab 1. Mai 2022 gilt in Baden-Württemberg die Photovoltaik-Pflicht für neue Wohngebäude, ab Januar 2023 greift diese auch bei allen grundlegenden Dachsanierungen. Das Kabinett hat eine entsprechende Änderung der bestehenden Verordnung beschlossen. Die Begeisterung beim Handwerk hält sich in Grenzen.

„Wir sind einigermaßen irritiert, dass die Verordnung zur PV-Pflicht auch für grundlegende Dachsanierungen nun bereits vom Kabinett beschlossen wurde – obwohl zahlreiche Fragen nach wie vor nicht beantwortet sind. Dabei verweist das Umweltministerium sogar dezidiert auf das umfangreiche Anhörungsverfahren. Aber die Hinweise und Bedenken des Fachhandwerks fanden mit keinem Wort Eingang. Damit wurden genau diejenigen ignoriert, die das Ganze bald umsetzen  sollen. Das ist das Gegenteil des Mottos, die Energiewende gelänge nur gemeinsam“, erklärte Landeshandwerkspräsident Rainer Reichhold.

„Besonders kritisch sehen wir, dass die Definition einer „grundlegenden Dachsanierung“ trotz unserer Verbesserungsvorschläge nahezu unverändert geblieben ist. So befürchten wir, dass bei einer Vielzahl an reinen Umdeckungen (z.B. Ziegelumdeckungen) der Tatbestand der PV-Pflicht ausgelöst werden könnte. Dadurch drohen PV-Anlagen auf schlecht gedämmten Dächern, die womöglich in einigen Jahren bereits wieder demontiert werden müssten. Das ist zum einen wirtschaftlich ineffizient. Vor allem aber wäre es ein Bärendienst für den Klimaschutz, wenn weiterhin quasi zum Dach hinaus geheizt wird“, ergänzt Reichold.

In einer Videokonferenz der betroffenen Verbände mit dem Umweltministerium Baden-Württemberg hat die zuständige Abteilung nun noch mal erklärt, warum die Entscheidungen so gefallen sind. Aus Sicht der Handwerksverbände war dieses Gespräch eher unbefriedigend. „Das Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht“, erklärte BWHT-Hauptgeschäftsführer Peter Haas. Er stellte klar, dass man mit der Brechstange nichts erreicht, sondern die betroffenen Kreise bei dem notwendigen Transformationsprozess mitnehmen muss.

Hausbesitzer droht Überforderung – Beratungsaufwand wird steigen

Jörg Knapp, Leiter des Referats Technik beim Fachverband SHK, machte klar, dass bei aller Notwendigkeit den Ausbau der Erneuerbaren Energien weiter zu forcieren, die dabei angedachten Maßnahmen langfristig Sinn machen müssen. Darüber hinaus dürfen die Hausbesitzer finanziell nicht überfordert werden. Auch wenn sich die meisten Maßnahmen innerhalb ihrer Lebensdauer amortisieren, müsse die Investition heute geleistet werden können. Von vielen Hausbesitzern könnten die notwendigen Investitionen aber nicht geleistet werden. Die Folge werde sein, dass vielfach nichts gemacht werde. Es fehle an einem mittel- und langfristigen Plan. „Diese Adhoc-Entscheidungen sind eher kontraproduktiv und schaffen vielfach Widerstand gegen eine eigentlich richtige Sache“, so Knapp.

Für Fachverband und SHK Betriebe bedeutet das einen weiteren zusätzlichen Fortbildungsaufwand. Noch gravierender ist jedoch der deutlich steigende Beratungsaufwand. Gerade der Einsatz einer Solaranlage – unabhängig ob Photovoltaik oder Solarthermie – muss im Gesamtkonzept des Gebäudes mitgedacht und  in ein Sanierungskonzept integriert werden. Dadurch erhöht sich der Umfang für die Beratung der Hausbesitzer deutlich.

Solarthermie als Erfüllungsoption scheint jedoch nur noch ein Alibi. Der Fachverband hatte in seiner Stellungnahme insbesondere auf Wiedersprüche zum EWärmeG sowie auf die sich äquivalent ergebende Solarfläche zu Photovoltaik abgezielt. Wirtschaftlich und technisch wird es schwer die in der Verordnung aufgeführten Rahmenbedingungen sinnvoll vor Ort mit Solarthermie umzusetzen.

Zeitdruck und politische Vorgaben

Die Gesprächspartner im UM berichteten von hohem zeitlichem Druck und politischen Vorgaben. „Seit Monaten betonen wir bei jedem politischen Gespräch, dass Gesetze nicht Beta-Versionen von Computerprogrammen sind, deren Fehler man im Laufe des Jahres ausbügeln kann“, zeigt sich Wolfgang Becker, Hauptgeschäftsführer des Fachverbandes enttäuscht. „Der vom Ministerium beschriebene Zeitdruck und politische Vorgaben führen dann unweigerlich zu einem Gesetz, das bestimmt gut gemeint ist, dessen Umsetzung im Ergebnis aber schwierig wird“.
Nun hofft das Handwerk, dass vor dem Inkrafttreten Anfang 2023 wesentliche Fragen in einem Handlungsleitfaden geklärt werden. „Wir sollten nicht wieder so ein Desaster erleben wie bei den Ableitbedingungen zur BImSchV, die Anfang diesen Jahres in Kraft getreten ist und bei der bis heute zahlreiche Fragen zur Umsetzung durch das Umweltministerium nicht beantwortet sind.