Reisen bildet – wenn man will

Kommentar von Wolfgang Becker, Hauptgeschäftsführer FVSHKBW

Foto: Völpel/ FVSHKBW

Viele Energiepolitiker aus Baden-Württemberg berichten gerne von ihren Reisen nach Dänemark und der vorbildlichen Energiewende mit breit ausgebauten Wärmenetzen und weit verbreiteten Wärmepumpen und wollen das gerne kopieren.

Der selbsternannte State of Green, der die Klimatransformation als gesellschaftliches Ziel ausgemacht hat, ist in der Tat in vielen Bereichen anderen Ländern weit voraus. Daher ist es richtig, sich an Best-Practice-Beispielen und guten Vorbildern zu orientieren. Doch orientieren heißt nicht kopieren, sondern adaptieren und auf die eigene Ausgangslage anpassen. 

Dänemark hat seinen Weg raus aus Öl und Gas bereits in den 70er Jahren eingeschlagen als Konsequenz aus der Ölkrise. Es hat auf den Ausbau von Wärmenetzen und Wärmepumpen gesetzt. Hinzu kommt ein großes Angebot an grüner Windenergie, die es ermöglicht, Strom für Wärmepumpen (aber auch Ladestrom für E-Autos) relativ günstig anzubieten. Und dennoch hat unser nördlicher Nachbar mit einem Vorsprung von teilweise 50 Jahren als realistisches Klimaneutralitätsziel weiterhin „nur“ das Jahr 2050 im Visier hat. 

Unsere Politik plant bei einer deutlich schlechteren Ausgangslage bei der Verbreitung von Wärmepumpen und Anschlüssen an Wärmenetzen hingegen das Zieljahr 2045 oder wie in Baden-Württemberg 2040. 

Neben der Zeitachse liegt der vielleicht größte Unterschied zu uns in dem hohen Konsens in der politischen Entscheidungsfindung. Wesentliche gesellschaftliche Entscheidungen wie die Energiewende werden von einer breiten politischen Mehrheit in der Mitte und von der Gesellschaft getragen. In Deutschland hingegen dominiert nicht erst seit der letzten GEG-Novelle ein Hin und Her und härtester politischer und ideologischer Streit.

Was lässt sich daraus folgern?

Die Rahmenbedingungen wie unsere Lage mit relativ wenig Wasser und entsprechender Windenergie können wir nicht so einfach ändern. Ändern können wir aber den politischen Umgang miteinander.

Statt ideologischem Hin und Her bei jedem Regierungswechsel und der Einstellung in der jeweiligen Regierung nun alles im Extremen gemäß den eigenen Zielen zu ändern erwarte ich von der politischen Mitte nun endlich eine gemeinsam getragene Energie- und Klimaschutzpolitik. Gemeinsam in die gleiche Richtung – auch wenn es für die Einen dabei nicht schnell genug geht und die Anderen zu schnell. Das bringt uns schneller ans Ziel als vier Jahre in die eine Richtung und weiter vier Jahre mit doppelter Kraft wieder zurück. Wer viele Jahre Rückstand aufholen will, muss daran gemeinsam arbeiten. Das gilt für den Bund ebenso wie fürs Land.

Hier in „The Länd“ sind die Klimaziele besonders ambitioniert. Ziele sind gut, richtig und wichtig, aber wenn sie auch bei großer Anstrengung nicht realistisch sind, wirken sie eher kontraproduktiv. So entstanden beispielsweise auf Basis dieser Ziele in Baden-Württemberg Wärmepläne mit einem durchschnittlichen Wärmenetzanteil von 45 Prozent bis 2040 – also in 15 Jahren. Das ist derart unrealistisch, dass die Gefahr besteht, dass die Wärmeplanung selbst niemand mehr ernst nimmt. 

Die Landesregierung sollte daher bei der Reform des Klimaschutzgesetzes die Klimaziele an die Bundesziele 2045 anpassen und dabei den Konsens aller Parteien der Mitte organisieren. Vielleicht bilden sich Politiker aus Nah und Fern dann zukünftig in Baden-Württemberg weiter.