"Brief der Woche" an die baden-württembergische Landesregierung und die Regierungsfraktionen

Hauptgeschäftsführer Wolfgang Becker nimmt sich in seinem "Brief der Woche" die Regierung und das Klimaschutzgesetz vor die Brust.

Liebe Landesregierung, liebe Regierungsfraktionen,

ich schreibe Ihnen einen Brief, damit Sie sich freuen. Wobei, große Aufmunterung brauchen Sie eigentlich nicht. Sie haben im Landtag die Novelle des Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetzes verabschiedet. Zügig mit 5 Minuten Redezeit pro Fraktion. Ohne echten Diskussionsbedarf und ohne substanzielle Änderung. Chapeau.

„Kein Gesetz kommt aus dem Parlament so heraus, wie es eingebracht worden ist“, formulierte einmal der Fraktionsvorsitzende der SPD im Bundestag, Dr. Peter Struck und bezeichnete dies als „erstes Strucksches Gesetz“. Fast hätten Sie dieses Gesetz widerlegt, doch in letzter Minute vor der Verabschiedung haben Sie doch noch mal ein paar Kleinigkeiten geändert. Damit haben Sie bewiesen, dass Ihnen die Meinung der vielen Experten doch nicht ganz egal ist. Oder vielleicht doch? Die Änderungen war wohl mehr dem Koalitionsfrieden geschuldet, denn der Anhörung. Denn eigentlich haben Sie die Expertenmeinung gar nicht gebraucht und haben die Anhörung auch eher pflichtschuldigst durchgeführt. Wie schon bei anderen Themen. Ich denke da zum Beispiel an die Photovoltaikpflichtverordnung. Eine reine Alibiveranstaltung?

Man kann ja mal laut nachdenken, warum nicht. Mir kommen dabei folgende Überlegungen in den Sinn. Vielleicht ist es ja so: Die Landesregierung und ihre Verwaltung und auch die beiden Koalitionsfraktionen haben einfach schon im Vorfeld herausragende Arbeit geleistet und bereits in dem eingebrachten Gesetz alle erdenklichen Einwände berücksichtigt. Das Gesetz war von vornerein nahezu perfekt. So haben Sie es schon bei der Einbringung in den Landtag gefeiert und so haben Sie es nun auch zur Verabschiedung gepriesen. “Das ehrgeizigste und umfassendste Klimaschutzgesetz in Deutschland.“ Vorbild für alle anderen Bundesländer.

Diese Begeisterung haben nicht alle Experten in ihren Stellungnahmen so geteilt und auch in der mündlichen Anhörung im Umweltausschuss gab es nicht nur positive Rückmeldungen, wie Sie in der Parlamentsdebatte Glauben machen wollten. Auch ihr eigener Klima-Sachverständigenrat war in zahlreichen Punkten kritisch. Stellungnahmen zum Gesetzesverfahren an sich gab es viele, meist fundiert, nicht immer zustimmend. Zahlreiche Verbände und Organisationen haben sich zu Wort gemeldet und sich die Mühe gemacht, ihre Expertise zum Klimaschutzgesetz und seinen weiteren Gesetzes- und Verordnungsänderungen aufs Papier zu bringen. Dabei sind über 400 Seiten teils widersprüchlichste Eingaben erfolgt. Zugegebenermaßen, es wäre schon eine Herkulesaufgabe gewesen, diese zu sortieren, zu bewerten, Argumente neu gegeneinander abzuwägen und dann noch mal innerhalb der Koalition neu zu beschließen.

Auch wenn zahlreiche Stellungnahmen nicht der Meinung unseres Fachverbandes entsprochen haben, die intensive Beschäftigung mit dem Gesetz und meist auch der gemeinsame Wille, das Klima zu schützen, eint die Rückmeldungen. Ein gewisses Maß an Beachtung, auch der kritischen Stimmen, wäre durchaus angebracht gewesen.

Als Vertreter des Fachverbandes SHK will ich mich gar nicht beklagen, dass wir uns nicht einbringen konnten. Als einer von wenigen Verbänden hatten wir sogar die Gelegenheit, in der Anhörung des Umweltausschusses noch mal mündlich Stellung zu nehmen. Geändert hat es nichts. Aus dem Ausschuss ging die Gesetzesvorlage genauso unverändert heraus wie sie eingebracht wurde. Warum wohl?

Mir geht einfach nicht aus dem Sinn, dass von vornherein überhaupt kein Interesse bestand, irgendwelche Änderungen aufzunehmen. Das hätte den mühsam erkämpften Koalitionsfrieden gefährdet. Und der steht über der Sache. Die Einigung der beiden Regierungsparteien im Vorfeld der jeweiligen Klausurtagungen im September war schwer genug. Mit anderen Worten: Das Anhörungsverfahren war mehr eine Alibiveranstaltung, denn geprägt von dem sachlichen Willen, das Gesetz zu verbessern.

Das lässt viele Beteiligte frustriert zurück. Und man überlegt sich zukünftig, ob es sich überhaupt lohnt, soviel Arbeit in die Begleitung eines solchen Gesetzes einzubringen. Nicht, dass das nicht wichtig wäre. Es ist sogar das Wesen eines Verbandes. Würden wir Verbände uns nicht mehr äußern, könnten wir uns gleich selbst abschaffen. Doch das ist nicht Ihr Problem.

Ich kann Ihnen nur ans Herz legen, darüber nachzudenken, ob diese Ignoranz von Expertenmeinungen für die Akzeptanz des demokratischen Gemeinwesens förderlich ist. Diese Gruppen sind die Basis des Landes und auch die tragenden Multiplikatoren hinsichtlich der Ziele des Gesetzes. Ich kann mich noch ganz gut an das Credo der Politik des Gehört Werdens erinnern. Mir scheint, das war der Anspruch einer früheren Legislaturperiode.

Inhaltlich haben wir unsere Kritikpunkte ja auf verschieden Wegen versucht zu kommunizieren. Warum Sie die bestehenden Vorgaben im EWärmeG für Wärmenetze für mehr Klimaschutz streichen, wenn Sie doch mit dem Klimaschutzgesetz eben diesen voranbringen wollen, müssen Sie den Bürgerinnen und Bürgern schon selbst erklären. In Verbindung mit den Änderungen der Gemeindeordnung droht einem Haus mit moderner Wärmepumpe unter Umständen die Gefahr eines Zwangsanschlusses an ein rein fossiles Wärmenetz.

Sie haben versucht, es uns zu erklären, wenn ich aus einem Schreiben der Wirtschaftsministerin zitieren darf: "Wärmenetze beschleunigen den Ausbau der Erneuerbaren Wärme. Existiert ein Wärmenetz, muss lediglich die Quelle klimaneutral umgerüstet werden, um alle Anschlüsse gleichzeitig klimaneutral zu stellen. Dieser Vorgang ist bei Individualheizungen deutlich komplizierter und damit auch zeitintensiver". Lediglich!?

Weiterhin wurde uns beschrieben, "dass bei einem Anschluss an ein Wärmenetz unterstellt wird, dass das Wärmenetz auf der Grundlage anderer Vorgaben und Anreize schrittweise bis spätestens 2045 klimaneutrale Wärme liefern wird". 2045? Ich dachte, dass neue Klimaschutzgesetzes hat 2040 zum Ziel. Fünf Jahre hin oder her, egal?

Also, ich empfehle Ihnen hier schnell zu handeln und noch in dieser Legislaturperiode die angekündigten Vorgaben und Anreize vorzulegen, die die Klimaneutralität von Wärmenetzen bis zum Zieldatum 2040 sicherstellt.

Sonst wünschen wir Ihnen und uns, dass der in letzter Minute eingebrachte juristische Winkelzug, der verhindern soll, dass auf Einhaltung des Klimaschutzgesetzes und des Klimamaßnahmenregisters geklagt werden kann, diesen Zweck auch wirklich erreicht.

Zum Abschluss möchte ich Ihnen noch mal einige erfreuliche Worte zurufen. Als Fachverband SHK werden wir und unsere Mitgliedsbetriebe weiterhin alles dafür tun, den grundsätzlichen Geist des Klimaschutzgesetzes weiterzuleben. Wir sehen es als unsere Verantwortung an, die Installation erneuerbarer Energien weiter voranzutreiben. Schließlich kommt beim Einbau von Wärmepumpen und modernen Heizungen niemand am SHK-Handwerk vorbei.

In diesem Sinne grüßt Sie Ihr Fan

Wolfgang Becker

Hauptgeschäftsführer